Dienstag, 29. Juni 1999

Vor einem Jahr habe ich zum ersten Mal mit Adam gesprochen, er saß auf dem Boden hinter den Startblöcken und hat mir beim Schwimmen zugeschaut, es war sehr heiß, noch heißer als heute, bin zwanzig Längen geschwommen und immer, wenn ich bei ihm ankam, haben wir uns angelächelt. Wenn ich ihn nur fragen könnte, wenn ich die Zeit nur zurück drehen könnte, wenn nur alles wieder so wäre, wenn er nur wieder so wäre…. und träumen seligen Traum! (Heine) 

Heute ist Adam ziemlich spät gekommen, um halb Eins oder Eins und ich habe mir gedacht, dass er die Prüfung schon hinter sich hat. Als er aus dem Wasser sprang, um sein Waschbrett zu holen, hat er mir zugewinkt, während ich schwamm. Habe seinen Namen gerufen, habe ihn gefragt, wie die Prüfung war, er hat nein gesagt, erst um drei! Wir sind wieder geschwommen, es waren so viele Leute im Wasser, Alla ist am Beckenrand gelehnt, habe sie gefragt, wie sie heißt, wir haben uns angelächelt, als sie auf dem Wasser lag, sie hat mir ihren Namen gesagt mit diesem slawischen l, das ich so liebe und ich habe sie gefragt, ob sie Russin sei, woher weißt du das? Habe einmal versucht, Russisch zu lernen und das l konnte ich nie, das sch auch nicht, sie sagt ein russisches sch, wir lachen, sie kommt aus Moskau, sie fragt mich, ob ich in der Nähe wohne, weil ich jeden Tag da sei, sie wohnt auch in der Nähe, sie kann zu Fuß hierher kommen, sie war mit einem Österreicher verheiratet, der in meiner Straße wohnt. Sie ist so freundlich. Habe mich geduscht, als ich zurück kam, wollte Adam gerade aus dem Wasser steigen, habe ihn gefragt, ob er schon fertig sei, heute ist es überhaupt nicht schön, das Wetter oder das Schwimmen? Das Schwimmen, weil die Leute immer hin und her schwimmen, eine neue Sportart ist geboren: Slalomschwimmen, wenn sie hin und her schwimmen, musst du auch hin und her schwimmen, er hat mir erklärt, dass das Wasser so aufgeraut sei, was meinst du damit? Die Wellen sind so stark, da komme ich nicht nach unten, habe geschaut, wo Klaus ist, denn er ging ins Wasser, als ich raus ging, ich erzähle Adam, dass wir gestern analysiert hätten, wie er schwimme, er lacht, ich wiederhole, was Klaus gesagt hat, dass er die linke Hand nach hinten schleudere, dass er das unter Wasser machen sollte, ich habe jetzt eine neue Schwimmart erfunden, ich kraule und lasse die Arme überhaupt unter Wasser, ich arbeite an meiner Fischwerdung, Adam hat sofort gesagt: Ja, ich mache viele Fehler! Er zeigt mir einen mit der Hand, aber das gefällt mir doch so gut, er beobachtet seine Hand, davon hat Klaus nichts gesagt, Klaus stand plötzlich am Beckenrand, ich sage zu Adam, dass das Klaus sei, ich rufe ihn, er hört nichts, Adam sagt schnell, dass er noch 500 Meter schwimmen werde, ich wollte ihn dir vorstellen, er nimmt wieder sein Waschbrett, was haben die beiden nur? 

Solange ist zu uns gekommen, sie hat ihn angesprochen, sie hat zu ihm gesagt, dass das Wasser kalt sei, wir haben ihr widersprochen, er war abweisend zu ihr, zuerst, ich habe ihm erklärt, dass ihr zu kalt sei, weil sie aus Alexandria komme, sie hat Adam gefragt: Woher kommen Sie? und ob er Wiener sei, Adam sagt skeptisch ja und sie: Ich hatte diese Chance nicht. Ich sagte, das sei keine Chance. Sie hat mich ignoriert und zu ihm Tschüss gesagt, er war jetzt auch freundlich und hat artig Tschüss gesagt, ich habe gespürt, wie er sich wundert. Bin weggegangen und habe ihm noch viel Glück gewünscht, er hat wieder ja gesagt und dass er gehofft hätte, dass es zu tue, damit nicht so viele Leute im Wasser seien, denn wenn die Sonne nicht scheine, seien sie auch nicht im Wasser, ich sage: Ich schon! Das ist ja so schlecht, wenn du in der Sonne schwimmst, weil das so reflektiert. Ich weiß eh! Gehst du jetzt wieder ins Stadthallenbad? Ja! Du bist gemein, das kannst du mir doch nicht antun! Er taucht unter, er lacht, das kann ich schon, ich lache auch, das Stadthallenbad ist der Bauch des Wals, Jona versteckt sich dort vor mir und wird dafür fürchterlich bestraft werden. Er wollte auch heute ins Stadthallenbad gehen, aber dann habe er sich gedacht, dass das Wetter schlecht werde und sei nach Schönbrunn gekommen. Ich habe mich auf die Pritsche gesetzt, er kam aus dem Wasser, sein Rucksack stand auf der Bank und seine Schuhe darunter, er hat ein Handtuch genommen und sich abgetrocknet, habe gehofft, dass er mich wieder besuchen kommt, weil er einmal das Becken entlang zu mir gekommen ist, aber er hat sich nur etwas zum Essen geholt beim Kiosk. Habe fieberhaft überlegt, was ich tun könnte, um noch einmal mit ihm zu sprechen, bevor er geht, es war schon halb Drei. Bin zu ihm hin gelaufen, er zog sich gerade das T-Shirt über den Kopf, er hat mir gewinkt, habe zu ihm gesagt, dass er zu spät kommen werde, er meinte, die fingen ja immer später an, es sei ja erst halb Drei, hat sich die ganze Zeit abgeklopft, was machst du denn da? Ich bin ganz staubig! Er begann in seinem Rucksack zu wühlen, ist mir so nervös vorgekommen, dass ich mich schnell verabschiedet habe, er hat ganz zärtlich Baba gesagt. Mein schöner Liebling! 

Als er weg war, hat Solange gesagt: Un homme beau, très mignon, il est très attiré de toi physiquement, il est attaché à toi. Wenn ich ihr nur glauben könnte! Sie meinte, dass jemand von außen das besser sähe, sie hatte Geburtstag, aber wollte nicht nach Hause gehen, weil die Atmosphäre dort so schlecht sei. Bevor er ging, habe ich ihn gefragt, ob er nach der Prüfung wiederkomme, nach der Prüfung müsse er ins Theater, was hat Brecht gesagt? Andere pflegen sich und ruinieren das Theater, ich pflege das Theater und ruiniere mich? Bin schon wütend auf dieses blöde Theater, er lacht, weil er versteht, dass ich eifersüchtig bin, er müsse auch Geld verdienen, ja, ich habe heute frei, darauf hat er nichts gesagt, er glaubt wohl, ich hätte immer frei. Ist er wirklich Wiener oder wollte er sich nur auf keine Diskussion einlassen? Bin dann noch zwanzig Längen geschwommen, weil es so heiß war, Solange hat mir von Goldy Parin und Paul Parin erzählt, sie war zehn Jahre älter als er, sie sei vor ein paar Jahren gestorben. Das Schönbrunnerbad ist wirklich ein magischer Ort! Nach dem Schwimmen habe ich einen Photospaziergang durch den Park gemacht, wollte diesen Tag festhalten, weil er so schön war und weil ich Adam jetzt schon ein Jahr lang kenne. Ob er sich daran erinnert hat, vielleicht, er war heute so liebenswürdig. Habe noch den Ginkgobaum porträtiert, der ist ein Fossil.

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