Als ich bei Solange auf dem Boden saß und Adam auf der Pritsche, hat er mich einmal so liebevoll angeschaut, als ob er stolz auf mich wäre. Heute war er so warm und zärtlich, er lag auf seinem Platz in der Sonne, und ich bin zu ihm hingegangen, um mich zu verabschieden. Er las wie immer im SPIEGEL, ich habe ihn gefragt, ob ihm der SPIEGEL so gut gefalle, er hat mir erklärt, dass sie den SPIEGEL abonniert hätten, er läse immer die alten Nummern (das wäre halt eine richtige Zeitschrift!). Wohnt er doch noch zu Hause, wohnt er mit seiner Schwester zusammen? Habe ihn gefragt, wie er noch heiße. Ich war nicht mehr verlegen. Er hat gesagt Kranz, habe ihn gefragt, wie man das schreibe, mit tz oder z, ganz normal, Kranz! Was für ein Name! Er hatte etwas auf der Stirn, es sah so aus, als ob ihm die Haut abginge, habe ihn gefragt, was das sei. Salz für die Kopfhaut! Meine Schwester macht das auch immer. Ich bekomme auf alles Ausschläge! Jetzt liebe ich ihn noch viel mehr. Er war so liebenswürdig. Ist er deshalb so abweisend, manchmal? Voriges Jahr hat er sich einmal vor mir versteckt und ich dachte, er sei böse auf mich, aber er hatte sicher wieder irgendeine Allergie oder Allegorie. Er hat mir erzählt, dass er jetzt bald ins Kamptal fahre, weil Kirtag sei, das sei ein gesellschaftliches Ereignis, er lacht. Er erzählt mir von allen seinen Reisen und dann sagt er: Aber jetzt habe ich genug davon, jetzt bin ich gesetzt. Er lacht wieder. Im Park bin ich MD begegnet, dem besten Freund von Mischa, er hat mich begrüßt und ist auch schwimmen gegangen, hätte ihn gar nicht erkannt wegen seiner Sonnenbrille, wohnt er nicht mehr im zweiten Bezirk? Laurenz hat mich einmal angelächelt während der Arbeit, das war so erotisch, als ich gehen wollte, fand ich meinen Werkvertrag nicht, er hat mir gedeutet, wo er ist und wieder so gelächelt. Das war so sanft, aber es bedeutet etwas. Ob er spürt, dass ich so tödlich verliebt bin? Heute in der Nacht habe ich Adams Stimme gehört, ihren Klang, ganz deutlich. Es hat so lange gedauert, bei Laurenz ging das ganz schnell. Jetzt höre ich sie nicht mehr, obwohl ich es ständig versuche. Da gibt es noch so viel, was ich nicht aufgeschrieben habe. Einmal hat er mir erzählt, dass seine Schwester da war und er mit ihr in der Wiese hinter den Kabinen im Schatten gelegen sei. Warum hast du sie mir nicht vorgestellt? Er sagt nichts. Wollte er verhindern, dass ich glaube, das sei seine Freundin? Er ist so liebevoll und fürsorglich. Als er heute kam, ist er zuerst noch auf’s Klo gegangen, um sich umzuziehen, er hat noch immer keinen Schlüssel. Ich war schon im Wasser. Er hat mir ganz leicht gewinkt, als er an mir vorbei gegangen ist. Er hat sich auf die Pritsche neben meiner gesetzt, nicht mehr an den Rand wie gestern, sondern in die Mitte. Er kommt immer näher, es ist ein Spiegel unserer Annäherung. Hat mir von seinem Platz aus zugerufen, dass er mit dem Schwimmen warte, bis es bewölkt sei, dass da hinten dunkle Wolken kämen. Habe ihm widersprochen, denn die ersten dunklen Wolken haben sich schon vor einer Stunde gezeigt. Er ist dann doch zu mir ins Wasser gekommen, wir haben uns am Beckenrand unterhalten, er hat mir erzählt, dass er am Morgen im Lainzer Tiergarten laufen war. Ich hasse laufen, habe ihm von Martin erzählt, der mit 32 tot umgefallen ist, als er im Schönbrunner Park joggen war. Er ist nicht mehr in die Arbeit gekommen und wurde nur durch Zufall entdeckt, weil er so extravagante schwarze Turnschuhe anhatte, daran hat ihn ein Gärtner erkannt. Ich habe dort gewohnt, in dem Haus in der Zenogasse, ich deute dorthin. Martin war mein Nachbar. Adam sagt, er laufe ja im Lainzer Tiergarten. Deshalb kannst du doch tot umfallen! Adam will nicht schwimmen. Was hast du denn? Freue dich doch, dass die Sonne scheint! Er nickt, dann sind wir geschwommen, ich hatte schon wieder Kopfweh, den ganzen Tag, habe mir gedacht, dass es durch das Schwimmen vergehe, aber es ist immer stärker geworden. Bin zu Solange gelaufen, sie hat mich massiert, das hat es gelindert. Sie hat mir erzählt, dass sie zu Adam gesagt hätte, er solle einen Kopfsprung machen. Er hat NEIN gesagt, später. Was fällt ihr ein! Das ist unser Ritual. Adam ist ja keine Zirkusprinzessin. Dann haben Adam und Solange zusammen Kopfsprünge gemacht, nein, er hat damit angefangen und sie hat es ihm nachgemacht, er ist auf dem Rücken getrieben, ich bin wieder schwimmen gegangen. Als ich aus dem Wasser kam, ging er an mir vorbei, hat mich gefragt: Schon fertig? Ich habe zu ihm gesagt, dass ich Kopfweh hätte, er hat wieso? gefragt, ich habe gesagt, dass ich es nicht wisse und bin weg gegangen. 

Danach bin ich mir so kalt vorgekommen, ich wollte das gar nicht, er hat so freundlich gefragt. Solange hat sich zu mir gelegt und wir haben französisch geredet und gelacht, Adam ist auf der nächsten Pritsche gelegen, zwischen uns war nur ein Mistkübel, könnten sie die nicht woanders hinstellen? Ich war in Panik, dass er weg geht und ich es nicht bemerke, deshalb habe ich ab und zu verstohlen zu ihm hingeschaut, er muss auch verstohlen zu mir her geschaut haben, denn unsere Blicke haben sich gekreuzt. Wir haben beide schnell wieder weg geschaut. Nach einer Weile hat er sich doch zu uns gesetzt und uns erzählt, dass er einmal in Griechenland in einer Raffinerie gearbeitet hätte, in einer Erdölraffinerie, und dass er im August frei habe und nach Griechenland fahren werde. Im August sei das Theater zugesperrt. Er hat mich angeschaut, als ob er mir zeigen wollte, dass er dann endlich Zeit hätte für mich, als ob er mich einladen wollte, mitzukommen. Wann war das? 1996. Da war ich in Makedonien. Du warst in Makedonien? Ja, aber im jugoslawischen Makedonien! Darauf haben sie nichts gesagt, vielleicht kennen sie das nicht oder sie wollen es nicht hören. Solange hat zu Adam gesagt, dass er aussähe wie ein Grieche und er hat erzählt, dass er sich in Griechenland immer sehr wohl gefühlt hätte. Er bekäme dann immer weißblonde Haare, sie meinte, das hinge nicht mit den Haaren zusammen, sondern mit der Physiognomie. Für mich schaut er jüdisch aus, vielleicht ist er ja ein jüdisches Waisenkind.

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