Adam war zwei Wochen nicht in Schönbrunn. Er hat mir bis heute nicht verziehen, dass ich ihn zum Glühen gebracht habe. War in Panik, weil ich nicht wusste, wo er ist, er hat mir nicht gesagt, dass er weg fährt oder ins Stadthallenbad geht. War es so kalt? Ich glaube nicht, habe versucht, ihn vor mir zu sehen, aber es ging nicht mehr, er war weit von mir entfernt. Doch, es war schon kalt. Heute habe ich gehofft, dass er kommt, war mir aber nicht mehr so sicher. Solange hat mich so in Anspruch genommen, dass ich ihn nicht kommen sah, habe sie photographiert und sah plötzlich jemanden sehr gerade gehen, habe die Ungewissheit nicht mehr ausgehalten und bin hin gelaufen, um zu sehen, ob er es wirklich ist, er hat mir vom Beckenrand aus zugewinkt, wollte ihn begrüßen, habe schon von weitem gerufen: Wo warst du denn? Im Stadthallenbad, ich habe gestöhnt, er hat mich angelächelt, und morgen gehe ich auf den Lifeball! Bin ganz nahe bei ihm gestanden, er hatte wieder Flecken im Gesicht, meine Augen müssen gestrahlt haben, warst du bei der Regenbogenparade auch? Ich war dort, da waren 40000 Menschen, nein, nein, er hat schnell erklärt, er müsse nur seine Firma vertreten, ach, wegen deinem Job, mir ist das richtige Wort nicht eingefallen, da hättest du aber zur Regenbogenparade auch gehen müssen, die ist viel schöner! Er sagt, dass jetzt Prüfungszeit sei, dass er noch zwei Prüfungen habe, heute und nächste Woche. Und dann? Dann fliegen wir in die Karibik! Dann ist einmal Schluss. Er habe eigentlich eh keine Zeit, morgen. Kommt Vivienne Westwood auch? Er wusste es nicht, ich habe ihn angespritzt, du weißt ja nicht einmal, wer Vivienne Westwood ist! Vivienne Westwood war die Professorin von MS in der Modeklasse an der Angewandten, gib ihr ein Küsschen von mir, er hat ja gesagt und ist schon los geschwommen. Bin zu meinem Platz zurückgegangen, konnte mich aber nicht mehr konzentrieren und bin auch wieder geschwommen. Heute saß Adam an der Mauer, neben dem unsympathischen Freund von Klaus, er hatte eine neue blaugelbe Badehose an und einen neuen gelben Rucksack, hat er sich nach der Sonne gesehnt, als er einkaufen war, il aime le jaune, er hat seinen pullbuoy geholt , ich war beim seichten Ende. Als er zurück kam, er hat mir zugerufen, dass das Wasser ja noch kalt sei, ich habe genickt, wollte er sich entschuldigen? Ich habe ihn gefragt, ob er den Eichmannfilm schon gesehen habe, nein, er hatte keine Zeit, der Film ist ja erst um 22h, er habe jetzt immer Abenddienst, die Anderen seien nämlich schon alle im Urlaub, du versäumst noch dein ganzes Leben in diesem Theater, es gehe bald wieder, ich schaue ihn an und schwimme davon. Er war noch im Wasser, Solange hat sich zu mir gesetzt und auf mich eingeredet, hat mir ihre Lebensgeschichte erzählt, wieder und wieder, so dass ich Adam nicht mehr beobachten konnte, er ist hinter mir gesessen, in schützender Deckung, Solange hat mich gefragt, ob ich es eilig hätte, weil sie meine Nervosität bemerkt hat. Es war schon zwanzig nach Eins und ich musste gehen, Adam ist an der Mauer gelehnt und hat sich gesonnt, wollte mich noch verabschieden, habe es aber nicht gewagt, zu ihm hin zu gehen, es war auch schon zu spät. Den ganzen Tag war ich bedrückt, er geht zum Lifeball, das beschwört seltsame Erinnerungen herauf, an die Zeit mit MS. Der ist einmal nach dem Life Ball betrunken nach Hause gekommen und hat mir die ganze Nacht von seinen Lovern erzählt, von makedonischen und bulgarischen Strichern vom Karlsplatz.

Am 26. Juni habe ich bis drei Uhr im Institut gearbeitet, dann bin ich zum Schwedenplatz spaziert, um mir ein Eis zu holen und nach Schönbrunn gefahren, ich dachte, dass Adam nicht da sein werde, aber der Lifeball fängt erst um 20 Uhr an und ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er doch da sein wird. Bin mit meiner Zauberkarte durch die Sperre gekommen, Herr Pöhn hat zu mir gesagt: Sie können immer hinein! Ich schwimme auch immer! Als ich zu den Kästchen ging, sah ich Adam in der Wiese liegen und lesen, bin ohne zu überlegen zu ihm hin gelaufen, er hat mich aber nicht bemerkt, habe mich zu ihm gebeugt, er hat im SPIEGEL einen Artikel über Scharping gelesen, wollte er mich nicht bemerken? Er ist so erschrocken, du bist so versunken!, hat zu erzählen angefangen, dass er heute schon eine Prüfung hatte, am Samstag!, bei Gertrud Koch, die sei so nett, am Dienstag habe er noch eine, er wartet gar nicht mehr, bis ich ihn frage und erzählt mir bei wem und was, du wirst einen Sonnenstich bekommen in dieser Hitze! Er lag in der prallen Sonne und las, es geht ja der Wind, der Professor hatte einen Herzinfarkt, er hoffe, dass er noch bis Dienstag durchhalte, dann sei es ihm egal, bist du arg! Er sei so müde, weil er heute schon um fünf Uhr aufgestanden sei und was tust du jetzt? Nach Hause gehen und mich umziehen und dann….Was ziehst du an? Ganz normal. Das darfst du nicht, da lassen sie dich nicht rein, weiß, zieh dich ganz weiß an, er lacht. Er erzählt mir, dass er dann fertig sei mit der Filmakademie und dann drehe er seinen Film für die Diplomarbeit, habe immer und dann und dann gefragt wie eine Idiotin, weil ich so verlegen war. Er sagt böse: Du stehst in der Sonne! 

Ich war schockiert, er war müde und gereizt und ich hätte fast zu weinen begonnen, bin zurück gewichen und habe mich in einiger Entfernung von ihm hin gestellt und nicht mehr gewusst, was ich sagen soll. Er fragt mich nie etwas, er sagt meinen Namen nie, er ist vollkommen autistisch. Ich sage, dass mir zu heiß sei, dass ich ins Wasser müsse, vor ein paar Tagen hat es noch geschneit, er fragt wo, in Vorarlberg, ach in Vorarlberg, verächtlich. Habe mich umgezogen, als ich schwamm, war er plötzlich auch im Wasser, mit nassen Haaren, er muss einen Kopfsprung gemacht haben, ist aber in die Gegenrichtung geschwommen, als wir uns in der Mitte trafen, hat er zu mir gesagt, dass er es hasse, wenn so viele Leute im Wasser seien, ja, aber die wollen auch alle schwimmen! Ich sah ihn zum Brunnen laufen, zu den Duschen, zu den Toiletten, habe gewartet, dass er wieder kommt, um einen Kopfsprung zu machen, aber er ist den ganzen Abend nicht mehr aufgetaucht. Bin noch ein paar Längen geschwommen und habe das Buch von Sigrid Weigel über Ingeborg Bachmann gelesen, als ich nach Hause ging, sah ich, dass sein Platz leer ist. Er hat sich nicht von mir verabschiedet. Vielleicht ist er nach Hause gegangen, um zu schlafen, er hat immer so getan, als ob er keine Lust hätte, zum Lifeball zu gehen, ist das Understatement oder interessiert es ihn wirklich nicht?

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