Freue mich schon so auf den Sommer, es liegt so viel Schnee, dass ich es mir gar nicht vorstellen kann. Am ersten Mai hat das Wasser 17°. Bin erst um halb zwei schlafen gegangen, weil ich AUF DER SUCHE NACH M. fertig gelesen habe, habe Adam vor mir gesehen, minutenlang, es war so intensiv, dass ich mich sogar an seine Stimme erinnert habe, er hat gelacht und gesprochen, als ob er einen Vortrag hielte, als ob er glücklich wäre. Habe ich ihn schon einmal glücklich gesehen? Oh ja, im Schönbrunnerbad, als er mich gesehen hat! Ist unser Vögelchen zurückgekommen, liebt er mich wieder? Ich frage mich, ob ich ihm auch auf die Nerven gehe wie alle, die ihm seinen Platz im Wasser wegnehmen, er kommt nicht zu mir ins Offene, er bleibt hinter seiner Absperrung. Nehme ich ihm die Luft zum Atmen? Gestern habe ich ihn gefragt, ob wir eine Wette machen, er hat gesagt, dass er nicht in Form sei. Um mit mir eine Wette zu machen, muss er nicht in Form sein. Oder ist das ein Kompliment? Als ob ich eine Gegnerin für ihn wäre! Es hat wieder geschneit, es war so nass und kalt, der Schnee ist nicht liegen geblieben, war eher ein Schneeregen, ich wusste zuerst nicht, ob er kommt, weil er um halb zwei noch immer nicht da war. Als ich beim tiefen Ende war, nach 2 Kilometern, sah ich unten beim seichten Ende jemanden sitzen und daneben etwas Gelbes leuchten, er war es, aber kurz bevor ich ankam, ist er los geschwommen. Ich habe ihn zuerst nicht bemerkt, weil ich drei blonde Männer überholen musste. Einer von ihnen schwamm immer neben mir, aber ich war immer schneller. Ich kann alle überholen, wenn ich will, nur Adam nicht. Wir haben uns ignoriert, durch das Buch, das ich ihm gegeben habe, ist es wieder peinlich geworden, dabei haben wir uns gestern so gut verstanden. 

Einmal ist eine Schülerinnenhorde gekommen, die Schülerinnen sind ständig über die Leinen geturnt, ich habe gesagt, dass sie weg gehen sollen, aber sie sind nicht weg gegangen, sondern haben sich darauf gelegt, haben etwas gerufen, Adam hat aber nur böse geschaut. Ich bin weiter geschwommen und habe ihnen noch einmal gesagt, dass sie weg gehen sollen. Der Bademeister hat mich ständig angelächelt, heute war Faschingsdienstag, alle hatten blöde Hüte auf, Adam ist immer weiter und weiter geschwommen und niemals stehen geblieben, daran habe ich bemerkt, dass er verlegen ist. Nach vier Kilometern bin ich stehen geblieben und habe eine Pause gemacht, Adam ist auch stehen geblieben und hat sich beschwert, dass sie ihm heute wieder vor der Nase herum schwämmen, es war ein Spritzen und Tosen, ich habe gesagt, dass er ihnen Unterricht geben sollte, weil die alle nicht schwimmen können, er hat ja gesagt und sich umgedreht, als ob die Audienz jetzt beendet wäre. Es klang verärgert und genervt und traurig. Wir haben beide nichts gesagt, da ist er weiter geschwommen. Ich habe beschlossen, noch 500 Meter zu schwimmen, Adam ist schon herum geturnt, als ich noch gar nicht fertig war mit meinem Training. Er ist in der sechsten Bahn geblieben und hat seine Streckübungen in der sechsten Bahn gemacht, ich habe seine Badehose angeschaut, sie war schwarz mit grünen Streifen an der Seite. Er hat sich zu mir umgedreht und gesagt Ich bin fertich, ich habe ihm gedeutet, dass ich noch eine Länge schwimme, bin aber trotzdem stehen geblieben und habe ihm zugeschaut, ich war so traurig, dass er jetzt geht, mir war so komisch, als ob ich gleich weinen müßte. 

Er ist aus dem Wasser gesprungen, er muss es bemerkt haben, denn er hat so maliziös-süffisant lächelnd Baba gerufen, dass mir vorgekommen ist, er mache sich über mich lustig. Ich habe ihm nachgeschaut, er ist gar nicht so klein, hat nicht mehr her geschaut, ist wirklich davon stolziert. Wohin schaut er eigentlich, wenn er geht? Ich bin dann so gegangen wie er, er muss innerlich erstarrt sein. Ist er so eitel oder schwul oder beides? Morgen ist wieder ein Tag, morgen kann ich es ja wieder versuchen. Ich hätte ihn beinahe gefragt, wohin er jetzt gehe, etwas hat mich aber gewarnt und ich habe geschwiegen, hat er nicht gestern schon nein gesagt, als ich ihn gefragt habe, ob wir eine Wette machen? Was für ein Nein würde er sagen, wenn ich ihn fragte, ob er mit mir komme? Ein Donnerndes! Ich weiß ja, dass er Nein sagte, er ist ein einziges Nein. Ich frage mich, ob nicht das Nein Lacans großer Anderer ist. Habe wieder gehofft, ihn beim Eingang zu treffen, habe ihn wieder nicht getroffen. Als ich bei der Ampel gewartet habe, sah ich einen Mann mit einem grünen Rucksack in einer Nebengasse verschwinden, war er es und ist er zu seinem Auto gegangen? Hat er etwas bemerkt, warum ruft er nie an, er hat meine Telefonnummer, er hat mir gesagt, dass er die Geschichte vom Schwimmer gelesen und dass sie ihm recht gut gefallen hätte. 

Habe ich ihn wieder ständig vor mir gesehen. Was bedeutet das? Einen Moment lang ist es mir heute so vorgekommen, als ob in der Luft schon Sommergeruch wäre, so wie es mir damals mitten im Sommer vorgekommen ist, als ob die Luft nach Schnee röche. Wir waren im Café Hawelka und ich habe einen Grog bestellt, weil ich gespürt habe, dass ich krank werde. Ich habe etwas zu Adams Verteidigung vorzubringen: Wir sind einmal nebeneinander geschwommen und haben im Schwimmen inne gehalten und uns angelächelt wie in Zeitlupe. Warum hat er dann so süffisant gelächelt? Hat er nicht auf mich gewartet, als er fertig war? Ich hätte ja mit ihm gehen können statt noch eine Länge zu schwimmen. Er hätte ja auf mich warten können. Wozu? Wir treffen uns ja doch nie vor dem Eingang. Braucht er viel länger als ich? Ich habe mich so beeilt, habe mich nicht eingecremt und mir nicht die Haare gewaschen. Ich weiß, dass er Nein sagte, wenn ich ihn fragte, ob wir Kaffee trinken gingen. Er hat ja auch Nein gesagt, als ich ihn gefragt habe, ob wir eine Wette machen, ob er sich auf den ersten Mai freue, ob er noch einen Kopfsprung mache, ob er noch einmal schwimme. War nicht sein erstes Wort auch ein Nein? Nein, jetzt bin ich z’müd. Ich hätte auf dieses Nein hören sollen, aber da war ich schon heillos verstrickt. 

Er wird immer Nein sagen, deshalb werde ich ihn niemals fragen, ich könnte es nicht ertragen und außerdem will ich, dass er mich fragt. Er war solange schüchtern, bis es offenbar war, dass ich in ihn verliebt bin und ab diesem Moment hat er mich verachtet. Die Männer sind alle krank. Es ist meine Würde, meine Karten offen zu legen. Es ist seine Würde, feig zu sein. Jedem das Seine.

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