Bin in einer Bibliothek, aber das erkenne ich zuerst gar nicht: dunkel getäfelte Wände wie in Imst, Brennbichl. Ich muss durch viele Räume und Passagen, bis ich ans Ziel komme. Obwohl es sich um Bücher handelt, ist die Atmosphäre vollkommen erotisch. Am Ziel sehe ich ein sehr dickes Buch über das Kamptal, das ich unbedingt haben möchte, ich darf es aber nicht zeigen. Ich gehe wieder zurück und sage zu meiner Schwester, dass meine Mutter auch einen Schlüssel haben wolle. Habe gerade ein dickes Buch über das Kamptal gelesen, aber es war mir nicht dick genug und die Informationen, die ich gesucht habe, habe ich nicht gefunden. Es gibt ein Foto von Manfred und mir, wo wir in Imst, Brennbichl, im dunkel getäfelten Wohnzimmer meiner Tante sitzen und aussehen wie ein Hochzeitspaar. Wir sind noch ganz jung, ich bin vier und er sechs. Warum habe ich das Buch nicht mitgenommen? Warum wollte meine Mutter einen Schlüssel haben?! 

Gestern habe ich in der Zeitung gelesen, dass der Katalog der Nationalbibliothek im Museum für Angewandte Kunst ausgestellt wird, weil jetzt alles im Computer gespeichert ist. Ich war im Magazin der Nationalbibliothek, also dort, wo du eigentlich nicht hin darfst. Die verbotenen Räume der Kindheit, es war mein Geheimnis, dass ich das Buch haben wollte. Habe ich es nicht schon? Was für ein Geheimnis verbirgt sich wirklich hinter diesen dunklen Räumen, für die man einen Schlüssel braucht? Ging es in Wirklichkeit um die Post, nicht um Bücher, die Post am Fleischmarkt, wo meine Mutter ein Kind abgetrieben hat, das jetzt so alt wäre wie Adam und also mein kleiner Bruder? Meine Mutter hat mir erzählt, dass es gar nicht am Fleischmarkt war, sondern in der Formanekgasse, warum kommt mir die Formanekgasse so bekannt vor? Vor ein paar Tagen war ich in der Freudbibliothek, dort sind die Räume auch so eng wie in meinem Traum. Der Traum lässt mir keine Ruhe, totale Wunscherfüllung, eine Buchhandlung, dunkel getäfelt, im Kamptal, im Kamp schwimmen, Adam sagt, der Kamp sei ja viel zu seicht zum Schwimmen, aus Adam wird jetzt ein Buch. 

Heute war er wieder nicht im Stadthallenbad, er hat ja gesagt, dass er am Montag nie komme, weil er denke, da sei zu viel los. Ich habe aber doch Angst bekommen, war mir so sicher, ihn endlich zu treffen, weil ich zwei Wochen lang nicht dort war außer am Donnerstag und am Donnerstag kommt er nicht oder selten. Es kann ja sein, dass er im Kamptal ist, dass er einen neuen Job hat, dass er wieder einen Film drehen muss, dass seine Jahreskarte abgelaufen ist, dass er kein Geld hat, dass er in ein anderes Bad geht oder überhaupt nicht mehr schwimmt. Will er mich einfach nicht mehr sehen? Kommt er morgen wieder? Ist er selbst krank geworden? Will er sich an mir rächen, weil ich so lange nicht dort war? Denkt er, ich komme nicht mehr? Fragen über Fragen. Auf dem Startblock Nummer Sieben ist ein Zettel geklebt, Schwimmmathematik, ich dachte mir die ganze Zeit, dass ich nachschauen muss, ob eine Botschaft von Adam für mich dort steht. Habe immer darauf gewartet, dass er noch kommt, aber er ist nicht gekommen. Ich war um halb eins im Wasser und bin um zwei Uhr gegangen, vielleicht ist er ja später gekommen. Zwischen zwei und drei ist es am ruhigsten. Ein Typ stand am Startblock, der aussah wie ein brutaler Stricher, der hätte MS gefallen. Nach sechzig Längen habe ich geschaut, was auf dem Zettel steht.

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