Immer, wenn ich zum Hörsaal 41 hinauf gehe, dort wo nie jemand ist, steht in einer Ecke ein schüchterner Exhibitionist mit einem Trenchcoat. Wenn ich vorbei gehe, öffnet er den Mantel und zeigt mir seinen Schatz. Er ist noch ganz jung und erinnert mich verdammt an meinen Adam. Vielleicht ist er es ja wirklich, ich gehe immer schnell vorbei, obwohl ich ihn am liebsten in den Arm nähme. MS hat zu mir gesagt, dass er nicht sterben wolle, bevor er die Liebe seines Lebens getroffen hätte und weil er Mustafa kennen gelernt hatte, war er bereit. Ich sage es, weil ich Adam kennen gelernt habe. 

Als ich ging, war überhaupt niemand mehr im Wasser außer ihm. Er war ganz verlassen. Ich gehe jetzt schlafen, der Rotwein aus dem Kamptal schmeckt wie Lambrusco, ist aber ein Zweigelt, auf jeden Fall macht er schläfrig. Ich war mir sicher, dass Adam heute nicht im Schwimmbad sein wird, deshalb habe ich mir Zeit gelassen, war um halb oder dreiviertel Eins im Wasser, bin zuerst auf’s Klo gegangen, sah sein Brett nicht, weil ich beim tiefen Ende vorbei ging. Als ich wieder in die Halle kam, sah ich ihn in seiner siebten Bahn schwimmen. Jedes Mal, wenn er sich auf die Seite gedreht hat, hat er zu mir her geschaut, aber das täuscht. Ich weiß nicht, ob er mich gesehen hat, aber ich habe ihn angelächelt, weil ich so froh war, dass er doch da war. Er muss das Brett vergessen haben oder er hatte es bei sich, ich habe wieder nicht gesehen, was er damit macht beim Schwimmen. Es war kurz vor Eins, ich bin los geschwommen, aber gleich wieder stehen geblieben, weil mich die Schüler genervt haben. Adam ist weiter und weiter geschwommen, einmal bin ich unten angekommen und habe aus den Augenwinkeln gesehen, dass er sein Brett zwischen seinen Oberschenkeln hervor holt. Ich konnte aber nicht stehen bleiben, weil am Beckenrand lauter Schüler standen, habe gehört, wie die Lehrerin zu ihnen sagt, dass sie diese Dame nicht belästigen sollen. 

Bin wieder nach oben geschwommen, wütend, weil ich wusste, dass er jetzt gehen wird. Als ich beim tiefen Ende war und mich umgedreht habe, sah ich, dass er mir winkt, er war schon bei der Treppe, die zu den Garderoben führt, hat auf eine imaginäre Uhr gezeigt, um mir zu sagen, dass er es eilig habe. Habe zurück gewinkt, da ist er verschwunden. Ich hätte beinahe geweint beim Zurückschwimmen, habe ihn verdächtigt, dass er absichtlich früher gekommen ist, um mich nicht zu treffen, habe gerätselt, warum er so früh weg gelaufen ist. Musste er wieder ins Theater? Es war erst ein Uhr zehn. Ich bin ungerecht, am Donnerstag kommt er sonst nie, vielleicht ist er ja wegen mir gekommen, war so traurig, dass ich kaum atmen konnte und bin nur zwei Kilometer geschwommen, dann bin ich auch gegangen.

Habe geträumt, dass ich mit einem Jungen in einem Gebäude bin, das sehr, sehr viele Stockwerke hat. Wir wollen zusammen schwimmen gehen und suchen das Hallenbad, das sich in einem der vielen Stockwerke befinden muss. Wir fahren mit dem Lift auf und ab, bis wir es endlich finden. Wir müssen uns umziehen, also trennen. Ich gehe in einen riesigen Raum, in dem lauter Mäntel hängen. Habe Angst, meine Kleider nicht mehr zu finden, habe Angst, meinen Schwimmgefährten zu verlieren. Ich fahre mit dem Lift wieder hinunter, um ihn und das Wasserbecken zu suchen. Es muss im Erdgeschoss sein. Er ist dort, wir fahren wieder zusammen mit dem Lift hinauf. Ein fremder Junge setzt sich auf meinen Schoß, weil es zu wenig Platz gibt. Adam sagt immer Es ist zu wenig Platz. Ich habe zu ihm gesagt, dass er bei mir schwimmen solle, bei mir gibt es genug Platz. Ich habe ihn noch nie in Kleidern gesehen, was hätte mir das alles über ihn verraten! Warum hat sich ein fremder Mann zu mir auf den Schoß gesetzt und nicht er? Wir waren beide pikiert, weil wir uns nicht kannten und so nahe zusammen sein mussten. Ich möchte mit Adam leben, aber in meinem Leben gibt es gar keinen Platz für ihn und keine Zeit. Was hat Mischa immer gesagt? We are two ocean-steamers passing by….

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