Wollte nicht zu früh im Stadthallenbad sein, bin um halb eins von zu Hause weg gegangen, die Straßenbahn ist aber nie gekommen, so dass ich erst kurz vor eins im Wasser war. Ich sah Adam erst schwimmen, als ich in meiner Bahn war. Er war in der Sechsten, neben meiner, wir sind auf und ab geschwommen, er war so nah bei mir, dass ich seine Brustknospen gesehen habe, dass ich ihn hätte berühren können. Als er neben mir auf dem Rücken vorbei schwamm, haben wir uns angeschaut, als ob wir zusammen lägen. In der Nacht habe ich gespürt, wie beweglich meine Wirbelsäule geworden ist, ich habe die Schlangenkraft befreit durch das viele Schwimmen. Hatte solche Angst, dass er wieder geht um eins, hatte Angst ihn nicht mehr zu treffen, habe gehofft, ihm auf der Stiege zu begegnen. Er ist aber nicht gegangen, sein Waschbrett lag dort, wo es immer liegt. Heute war er so schnell, dass er auch an mir vorbei geschwommen ist, wenn wir uns zuerst in der Mitte begegnet sind, nein, wenn ich oben beim tiefen Ende war und er noch in der Mitte, hat er mich beim Hinunterschwimmen überholt, einmal ist er stehen geblieben, während ich noch schwamm, hat sich die Brille herunter gerissen und Hallo gerufen, so liebevoll wie immer, ich bin zum Beckenrand geschwommen und habe ihn begrüßt, hab ihn gefragt, ob er heute nicht arbeiten gehen müsse, doch, doch, aber erst um zwei, aber du bist ja noch ein Baby, tja.... und hat gelacht, ich bin weiter geschwommen, er ist um fünf oder zehn nach halb zwei gegangen, ist er so schnell, dass er in einer halben Stunde dort ist oder hat er gemeint, dass er um zwei weg gehen muss? 

Als ich zum seichten Ende schwamm, sah ich zu dem Turmspringer hinauf, der auf dem 10 Meter-Brett gerade einen Handstand machte, plötzlich sah ich, dass Adam schon bei der Stufe war, dort, wo es zu den Garderoben hinunter geht. Er hat mir gewinkt, ich ihm auch, ich war wieder so traurig, dass ich ihn schon wieder nicht aufgehalten habe, arbeitet er in der Nähe vom Westbahnhof? Ist er gestern früher gegangen? In der Nacht war es mir so unheimlich, es lag etwas in der Luft, habe auch nichts geträumt. Hat er so an mich gedacht wie ich an ihn? Was denkt er sich, wenn ich zu ihm sage, dass er noch ein Baby ist? Das Schwimmen hat mich so glücklich gemacht, ich kann nicht mehr ohne ihn leben, ohne es, das Endorphin. 

Um halb drei habe ich mich mit Indigo am Westbahnhof getroffen, wir sind zur Bank gegangen, der nette Herr, der mich früher immer bedient hat und jetzt im Büro arbeitet, ist zu mir her gekommen und hat mich gefragt, ob ich zu ihm komme. Er hat mich bedient, obwohl ganz viele Leute vor uns gestanden sind. Wir haben das Hotel Meissl & Schaden gesucht und dann sind wir in das Kaufhaus Steffl Bücher schauen gegangen, obwohl es viel zu heiß war dort. Ich habe das Buch über die Wiener Jahre von 1978 bis 1985 angeschaut, es gibt ein wunderschönes Foto von KAFRI und einen Beitrag über die U-Mode, aber von MS kein Wort, was mir bei aller Feindseligkeit, die ich ihm gegenüber immer noch habe, doch als eine Gemeinheit erscheint, als eine signifikante Auslassung, ein blinder Fleck, Wiener Rassismus eben. Wann hat das angefangen? Mischa hat mich wie in einem Verhör gefragt, ob ich wisse, dass die Juden vom Aspang-Bahnhof weg transportiert worden seien, als ob ich persönlich sie deportiert hätte, dabei waren seine Großeltern Nazis, nicht meine. Alle, die sich als Studenten als die großen Antifaschisten aufgespielt haben, waren mucksmäuschenstill, als sie den Mund wirklich aufmachen hätten sollen, als die Flüchtlinge gekommen sind. 

Geträumt: Es ging um eine Literaturverfilmung, ich weiß nicht mehr, wieso, gestern war ich mit Indigo im Amadeus-Café im Steffl, auf der Leinwand war ein Film ohne Ton und ich habe zu ihr gesagt, dass es in diesem Café nur Literaturverfilmungen auf der Leinwand gäbe. Ich habe den Traum total vergessen, dass es um eine Literaturverfilmung ging, ist das Unwichtigste daran. Ich habe es Indigo in der Frühe erzählt und darüber nachgedacht, wie der Film nach Bernanos heißt, den wir uns einmal in der Stöbergasse angeschaut haben, ich glaube, er war von Bresson, Mouchette? Jetzt ist mir der Traum wieder eingefallen: Ich war in der französischen Buchhandlung, sie war unter einem Dach, es ging eine Treppe hinauf, wie in Imst, in meiner allerersten Wohnung, aus der wir vertrieben worden sind vom Bruder meiner Mutter, ich habe ein Buch gesucht, das nicht da war. Ich kann mich genau an meine frühere Chefin erinnern, sah sie nur von hinten, wie sie nach diesem Buch sucht. Es war etwas mit M, ein Klassiker, den eine französische Buchhandlung eigentlich haben müsste, war es Mouchette oder fing der Name des Autors mit M an? Mouchette, Mischa, Marcel Proust, Metropol, nein, der Nachname von MS fängt mit M an, aber es war ein bekannter französischer Dichter, Maupassant vielleicht? Es war sicher Maupassant. B.B. sagt, MS klinge nicht nach Haute Couture! Ich habe einmal Fort comme la mort bestellt und die Chefin der französischen Buchhandlung, sie heißt Maria!, hat dazu bemerkt So etwas Romantisches! Warum träume ich immer von Maupassant? 

Einmal träumte ich von einem Sibirischen See, der Le Horla hieß, Maupassant ist an Syphilis gestorben, er schreibt immer über Huren, er hat Bel-Ami geschrieben, es sind unsere Initialen und was ist mit dem M? Ich habe Fort comme la Mort gesucht, das Bild auf dem Cover ist von Alfred Stevens. In Mouchette geht es um eine Vergewaltigung, Mischa hat mir einmal einen Brief geschrieben und mir gesagt, dass ich mir den Film anschauen solle, er hat sich damals für Literaturverfilmungen interessiert. Ich glaube, wir haben uns bald danach getrennt. Ich überlege mir immer, ob ich Adam einen Brief schreiben sollte oder dass er mir einen Brief schreiben könnte. Ich habe Angst vor einer Trennung, eine Trennung von Adam könnte ich nicht überschreiben/überleben. Es gibt noch François Mauriac, Das Natterngezücht ist das Lieblingsbuch meiner Mutter, ein Natterngezücht sind sie alle, alle Ms., ich habe sie DIE NATTERN getauft. Links und rechts der Treppe waren Bücherregale, gestern habe ich ein Buch über Schreibtische von DichterInnen von Herlinde Koelbl angeschaut, sie hat auch deren Bücherregale fotografiert. Ich kann mich noch an die Bücherregale von Christa Wolf erinnern, sie haben mich am meisten beeindruckt. Friederike Mayröcker hat in dem Interview zu den Photos erklärt, dass es, wenn sie schreibe, ganz ruhig sein müsse, dass sie immer nur dieselbe Bach-CD höre, dass sie in die Stille hinein gehe und höchst konzentriert sei, das sei etwas Magisches, weil sie sich dann wieder zurück versetze in ihr Dorf, wo sie im Sommer bei den Großeltern war, so wie Adam, so wie ich.

Beliebte Posts aus diesem Blog