Vielleicht war er ja schon voriges Jahr im Schönbrunnerbad, nein, voriges Jahr hat er woanders gewohnt. Er schwimmt immer in seiner Nachbarschaft. Ich vermute, dass er noch nicht lange in Wien ist, er hat nämlich ein Jahr lang in einer Raffinerie im Ausland gearbeitet wie ein Kommunistenkind. Ich ärgere mich, dass ich nicht mehr über ihn aufgeschrieben habe. Mir sind alle gleichgültig geworden, seit ich ihn kenne. Ich werde versuchen, ihm alles telepathisch zu sagen, obwohl ich seinen Namen nicht weiß. Wie soll ich ihn nennen? Raffael? Tobias? Jonathan? Lukas? Noah? Jonas? Ob er morgen ins Stadthallenbad schwimmen geht? Wir stehen in seiner Küche, er lächelt und fragt mich, ob ich nicht smalltalken will. Ich sage, das musst du auch beherrschen, aber mit dir? Er holt zwei Gläser und schenkt uns Wein ein, Frühroten Veltliner aus dem Kamptal. Ich sehe ihn vor mir, wie er ins Wasser springt, mit einem vollendeten Kopfsprung, wie er zum Brunnen geht, um Wasser zu trinken, noch Jahre später werde ich ihn an seinem Gang erkennen, wie er tänzelt, wenn er mich sieht, wie er lächelt, wie er sich die Schwimmbrille aufsetzt, die Badehaube, wie er krault, dich schwimmen sehen, wie er am Beckenrand sitzt, wie er auf dem Hohlweg oben steht und wartet, wie er duscht, wie er mit dem Handtuch auf dem Rücken die Stiegen hinauf läuft, wie er sich abkühlen geht, wie seine Locken ganz dunkel und glatt werden, wenn er untertaucht. Ich höre, wie er sagt: Als Kind hatte ich weißblonde Haare. Wenn er schwimmt, schaut er aus wie ein Hai. Vielleicht geht er in die Modeschule in Hetzendorf wie MS? Ich hätte ihn nach seiner Telefonnummer fragen sollen, ich hätte ihn nach seinem Namen fragen sollen, ich hätte mich an ihm festkrallen sollen. Wenn ich nur gewusst hätte, dass es jetzt sieben Wochen lang regnen wird! Was für ein Sommer und doch…. Es war noch zu früh, ihn so direkt zu fragen, er wäre erschrocken. Er liegt auf dem Bauch auf seinem roten Handtuch. Vielleicht hat er nur darauf gewartet, vielleicht erschreckt ihn nichts? Er liegt auf dem Rücken und ich schaue zu ihm hin. Ich halte es nicht aus, ihn eine Woche lang nicht zu sehen. Durch ihn sehe ich alles anders, er ist noch so jung und so mutig.

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